'Das Losfahren ist das Schwerste' höre ich von vielen Reisenden. Aktuell erscheint mir allerdings die Vorbereitung schon als eine große Herausforderung. Überfahren fühle ich mich von der Fülle an Fragen und Bereichen, die es noch zu klären gilt. Wo fange ich an? Wie soll ich das alles schaffen? Was, wenn ich etwas wesentliches übersehe? …
Anfangen hilft. Es gibt eine To Do List (die stetig wächst), alle Fragen schreibe ich auf (es werden täglich mehr) und ich kenne viele Menschen, mit denen ich mich austauschen kann, die mir wertvolle Tipps und Einschätzungen geben. Das hilft!
DANKE schonmal, an alle die mich auf diesem Weg helfend begleiten.
Gebrochen. Nicht aber der Wille.
03.10.2019
Ich stelle mir vor wie es ist unterwegs zu sein und nicht mehr jeden Abend in meinem kuscheligen, warmen, gemütlichen Bett zu liegen, in der eigenen Komfortzone.
Statt dessen eventuell frierend, nass und einen verdreckten Raum mit anderen Menschen teilend. Zur Toilette geht es nicht mal eben bequem in den Raum nebenan mit fließend Wasser und pikobello, sondern nach draußen, in irgendeinen kalten, schmutzigen Hof.
Es kommen viele Ängste und Horrorszenarien auf, aber diese Sicherheit, dass ich es machen möchte, bleibt.
Es nicht zu tun, steht für mich nicht zur Debatte, dafür sind die Gefühle zu stark: das Fernweh, die Sehnsucht, diesen Teil der Welt zu besuchen.
Die Verbindung zu Russland entstand schon als ich ein Kind war und zur patriotischen Musik von 'Ljube' auf dem Trampolin herum hopste und diese Sprache zu lieben begann (Die Band ist übrigens live ähnlich mitreißend, davon überzeugte ich mich in Hamburg auf einem ihrer Konzerte). Sie begleitete mich bis in die Jugend, wo ich in der Schule die kyrillische Schrift lernte und einen russischen Freundeskreis hatte. Meine beste Freundin kam aus Kasachstan und wir feierten viele Wochenenden in russischen Diskotheken, mit Wodka, Tanzerei, hohen Absatzschuhen, Schaschlik und allem was dazu gehört. Man konnte fast die Uhr danach stellen: Ab 2 Uhr gab's ne Schlägerei, um 3 Uhr wurde wieder angestoßen. Na starowje!
Silvester mit ihr und ihren Eltern war anders: Der Tisch brach bald zusammen vor lauter Köstlichkeiten und in MEINER Familie läuft das dann eigentlich so ab: Essen, Trinken, fertig.
Ich also den Teller voll gemacht. Gegessen, getrunken. Aber fertig waren wir noch lange nicht. Die Speisen standen die ganze Nacht auf dem Tisch und es war ein langes Zusammensitzen.
In das neue Jahr bin ich dann gerollt.
In der Beziehung mit einem Russen konnte ich die Herzlichkeit und den hohen Stellenwert der Familie in diesem Kulturkreis weiter kennenlernen. Wir gingen angeln mit seinem Bruder und ich durfte seiner Mutter in der Küche über die Schulter gucken, wie sie eine leckere Suppe kochte und frisch gefangenen Fisch entschuppte. Der Familienzusammenhalt war stark spürbar und die Offenheit, mit der sie mich aufnahmen groß.
Wenn ich an diese Zeit denke, kommt ein dickes Grinsen über meine Lippen.
Wodka. Ist Gewöhnungsbedürftig. Ich habe etwas gebraucht, um mit seiner Wirkung umgehen zu können, unter anderem einen Knochen meiner linken Hand.
Ein lustiger Abend mit ebenfalls überwiegend russischen Freunden. Langes Beisammensitzen, lachen, Spielen, gutes Essen und Trinken - natürlich: Wodka.
Auf dem Heimweg mit meinem Freund, ein Streit. Meine Wut lasse ich an einem Autofenster aus, indem ich mit meiner Faust gegen die Scheibe schlage.(Wodka macht nicht nur die Russkis aggressiv, deutsche Kartoschkas ebenfalls).
Am nächsten Morgen wache ich auf, Kleidung noch wie am Abend. Ich weiß nicht mehr wie ich es in mein Bett geschafft habe und was alles passiert ist, bis ich auf meine linke Hand schaue, besser gesagt, den Klumpen mit dem mein linker Arm endet. Alles ist geschwollen.
Mein Freund vermutet: ,,Ist bestimmt nur verrenkt'' und zieht daraufhin einmal fest an meinem kleinen Finger, um die Verrenkung zu lösen.
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AUA.
Das. Tat. Weh.
Geholfen? Nein.
Wie ein Röntgenbild später eindeutig klärt: Der linke äußere Mittelhandknochen ist einmal in der Mitte durch gebrochen.
Ob das bereits vor dem Heilungsversuch meines russischen Freundes so war, weiß ich nicht.
Er war jedenfalls stets bemüht :D Immerhin gab er mir seinen Audi quattro um zum Krankenhaus zu fahren, man hat der Karacho.
Und noch eine Sache brachte das ganze mit sich, denn ich bin Linkshänderin und stand zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor der schriftlichen Abiturprüfung. Die durfte ich dann nachschreiben.
Soviel zur Entstehung meiner Russlandliebe.
Wie ich dann von Russland auf die Mongolei kam, das erklärt sich, wenn man meinen nomadisch anmutenden hochaktiven Wohnungswechselverlauf seit meinem Auszug mit 17 betrachtet.
Ich weiß es ist noch Zeit bis ich losfahre im April 2020 auf mein bisher größtes Abenteuer. Genau genommen noch 5 Monate. Aber in Anbetracht dessen, was ich noch alles lernen und in Erfahrung bringen muss, ist es gerade mal genug.
Es ist eine Herausforderung, denn ich bin nie der große Reisetyp gewesen bis ich mit dem Motorradfahren vor 2 Jahren auch mein Fernweh entdeckt habe und die Begeisterung für das Unterwegs sein mit dem Zelt.
Meine alten Glaubenssätze haben mich bis dahin immer eher vom Reisen abgehalten, sodass ich dem ganzen Thema ausgewichen bin.
In der Schule hatte ich andere Dinge im Kopf als das, was die Lehrer uns in Erdkunde, Geschichte und Politik bei brachten. Kunst und Sport fielen mir deutlich leichter.
Und somit war für mich klar: Ich kann das nicht. Ich lasse das.
Tja, und dann fuhr ich Motorrad. Ein neues Kapitel wurde geöffnet, Entdeckungslust und neue Lebensfreude waren geweckt und ich dachte: Ja, ich habe keine Ahnung von Geographie, der Welt und dem Reisen. Aber Egal. Was ist, muss ja nicht so bleiben. Ich kann es lernen. Einfach machen und diesen Kleinhaltenden Glaubenssätzen keine Macht schenken, sie haben mich schon oft genug in meinem Leben gebremst. Nicht alle Gedanken sind wahr, sie sind oft einfach nur Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen, hängengebliebene Wortfetzen von anderen Menschen, die sich wie Parasiten in den eigenen Gedanken eingenistet haben und sie beschweren. Rein aus Gewohnheit werden sie immer wieder neu gedacht. Es gilt also, die Gedanken zu reinigen und anzufüllen mit neuem, stärkenden Inhalt.
Meine größte Bestätigung es anzugehen ist mein Fernweh. Und ich finde der Begriff Fernweh passt sehr, denn es hat wirklich was mit Schmerz zu tun. Jedes Mal wenn eine ehemalige Kollegin von ihrer Tochter erzählte, die gerade auf einer Weltreise war, kamen mir Tränen in die Augen, die mir zeigten, dass es eine tiefe Sehnsucht von mir ist und der Gedanke: 'Was mache ich hier eigentlich. ' ließ meinen Arbeitsalltag nicht mehr richtig erscheinen. Es fühlte sich an, als verschwendete ich Zeit meines Lebens, weil ich in die falsche Richtung lief, nicht meinem Herzen folgte. Jedes Mal wenn ich Fotos, Geschichten oder Filme von Reisenden las, sah oder hörte kamen mir die Tränen.
Ich muss dazu sagen, ich bin echt keine Heulsuse, aber wenn sowas vorkommt, dann hat es was zu bedeuten.
Nun. Und genau das lässt meine Ängste und Horrorvisionen von dieser Reise nicht zu Zweifeln werden, denn ich weiß ICH MUSS ES TUN. Das bin ich mir schuldig. Und wenn ich nur losfahre und nach der Hälfte umdrehe und sage: Okay, danke, reicht.
Aber wenn ich nicht losfahre, dann wird diese Sehnsucht mein Leben beschweren und mich sehr unglücklich machen. Das darf ich nicht zulassen, denn sie zeigt mir deutlich meinen Weg.
Ja, sie hat mich stark gemacht und mir geholfen, meine Entscheidungen nicht aus Angst zu treffen, sondern aus Hoffnung, etwas zu lernen, zu wachsen und in die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, auf das eigene Herz zu hören und sich die Herzenswünsche von niemandem ausreden zu lassen.
Wie beim Projekt Wohnwagen.
Es wird immer Menschen geben, die einem das was man vor hat, ausreden wollen, die ihre eigenen Ängste auf einen projizieren oder es einfach nicht haben können, dass man sich etwas traut, wozu ihnen selbst der Mut fehlt.
Deswegen habe ich z.B. vor dem Kauf des Wohnwagens nur mit ausgewählten , sehr wenigen Personen über mein Vorhaben gesprochen. Ich wusste nicht ob es geht oder ob ich das schaffen würde, hatte mich nie mit Wohnwagen oder Renovieren beschäftigt, aber ich wusste, ich muss es einfach angehen und all meine Kraft in die Verwirklichung dieses Traumes stecken.
Quintessenz: Beschütze Deine Träume und vertraue.
Sich die Stimme des eigenen Herzens nicht von anderen Menschen ausreden lassen! Vertraue in die eigenen Gefühle und Fähigkeiten. DU bist genug und trägst alles bereits in Dir. Und es kommt, wie es kommen muss. Und ob ich am Ende in der Gobi mein Zelt aufschlage oder ganz andere spannende Erfahrungen mache, es geht darum Visionen zu haben und aufzubrechen um diese anzugehen.
Und ich habe ja noch Zeit, mich vorzubereiten.
Für mich bedeutet das jetzt vor allem, mich mit der politischen und soziokulturellen Situation der Länder durch die ich reisen möchte, zu beschäftigen.
Heute habe ich mir die Landkarte von der Mongolei genommen und eingezeichnet , wo ich lang fahren möchte.
Ein guuutes Gefühl, das Sicherheit gibt und motiviert. Zu sehen, ah hier hört der Asphalt auf, hier ist eine Tankstelle, so viele Kilometer sind es von hier nach da, dort ist eine Sehenswürdigkeit und an dieser Stelle ist mir zu viel los....Ich visualisiere somit einen Teilabschnitt meiner Stecke, angehäuft mit Informationen und lege den Fokus auf mein Ziel, was mir hilft gegen Angstgefühle von 'Ich bin zu unerfahren dafür'.
Leider sind Landkarten echt rar geworden, wenn man sie in der Buchhandlung kaufen möchte. Ich war in der ansässigen und hatte Glück überhaupt noch welche bestellen zu können für Teilstücke, auch wenn die Auflagen nicht mehr ganz aktuell sind. Sie werden halt nicht mehr erneuert, weil die Anfrage nicht da ist, im Zeitalter von google maps und so weiter. Besonders für Regionen rund um den Pamir Highway, was jetzt nicht unbedingt als Standardreiseziel gilt.
Fazit: Nicht das Faktenwissen ist entscheidend, um ein Ziel zu erreichen, sondern Wille, es zu schaffen und die Überzeugung, dass es richtig ist, diesen Weg zu gehen. Informationen jedoch können helfen, hierbei nicht mit Anlauf gegen eine Wand zu rennen. Die Information, dass Autoglas härter ist als meine Knochen, hätte mir z.B. einiges erspart ;)
Also nur Mut mit Verstand paaren und ATTACKE!
04.10.2019
Heute habe mir einen Schlafsack bestellt, einen muckelig warmen mit Komforttemperatur -10 :D Juppiie nie wieder Frieden !!!!
Freu mich sehr.
Alles auch preislich im Rahmen mit 300 €.
Mein erster Daunenschlafsack, ich bin gespanntico!
Außerdem habe ich nun alle Infos vom Auswärtigen Amt zu meinen Reiseländern ausgedruckt und die Mongolei habe ich schon durch! Besonders interessant finde ich, dass das Deutsch-Mongolische Verhältnis sehr partnerschaftlich ist, beide machen sich stark für Demokratie und Menschenrechte und in 12 mongolischen Schulen wird sogar die deutsche Sprache unterrichtet! (Zur Sicherheit nehme ich trotzdem die wichtigsten Sätze auf mongolisch mit).
Morgen vertiefe ich die Mongoleirecherche.
Route steht jedenfalls seit gestern ja auch auf der Karte mit Kilometerabständen.
Über 3000 km, in 30 Tagen mit ca. 100 km pro Tag...wird happig... Naja sonst muss ich innerhalb der ersten 7 Tage nach der Einreise zusätzliche Zeit beantragen.
Das Buch über Grenzen geht runter wie Öl, liest sich echt kinderleicht und sehr spannend, habe heute meiner Mutter daraus vorgelesen – sie fragte: ,,Hast du keine Angst wenn du das liest?''
Ich mache mir nur Sorgen um sanitären Begebenheiten. Frauensache.
Klar ist das aufregend und gefährlich ABER Margot, die sich in einer abenteuerlichen Reise über viele Grenzen wagt, hat überall nette Menschen getroffen, wenn sie welche brauchte und keine Spur von Terror am eigenen Leib erlebt.
Und der ist übrigens in einer Polizeistation von Paris genauso möglich, wie an jedem großen Bahnhof, zentralen Platz oder halt dem Pamir Highway entlang der afghanischen Grenze.
Das einzige was im Leben sicher ist, ist der Tod. Sicherheit ist in meinen Augen eine Illusion, überall und nirgendwo. Ob ich mich nun Zuhause verkrieche und Zeit meines Lebens nichts erlebe weil ich 'sicher' sein will, oder mir die Welt ansehe und mich dabei lebendig fühle, am Ende läuft es auf das gleiche hinaus mit einem Unterschied: Die Zeit bis es soweit ist, fühlt sich anders an, sinnvoller. Und ich gehe mit einem gefüllten Herzen.
Der Vergleich ist des Glückes Tod - Nicht aber bei der Zeltauswahl
05.10.2019
Nachdem ich den Punkt 'Schlafsack' auf meiner noch ellenlangen To-do-List mit einem Hochgefühl abhaken konnte, habe ich von gestern Mittag bis heute Abend nach Zelten geguckt... Wassersäule, Gewicht, Packmaß, genug Platz für die großen Motorradstiefel und Taschen, freistehend oder doch ein Tunnelzelt mit Heringen...et is nicht so einfach.
Eins steht fest: Es steht noch nichts fest :D
Zwischendurch habe ich entschlossen, dass es jetzt genug verglichen sei, nachdem die dritte Tabelle mit geballten Infos vollgekritzelt war.
Habe mich in Margots Buch gelesen...und wieder die Tränen. Wie wenn ich den Trailer gucke, die Musik und die Bilder, sofort ist das Fernweh da und meine Tränen. … Warum mich das so berührt? Kann ich selbst noch nicht genau sagen. Das habe ich so noch nie in meinem Leben gehabt, ein Thema, was mich zutiefst rührt. Und zwar jedes mal.
Jedenfalls, nachdem ich Margot von Chorugh nach Dushanbe gefolgt bin, ließ mir die Zeltsuche keine Ruhe: Ob es nicht doch noch die Eier-legende-Woll-Milch-Sau gibt? Ein Ultra Leicht Zelt, was all meinen Wünschen entspricht und mich sofort umhaut? Nein. Entweder sind die Apsiden zu klein oder es ist zu teuer oder zu viel dies und zu wenig das.
Schwer.
Immerhin weiß ich jetzt: Hauptsache Leicht. Und hohe Wassersäule. Und große Apsis. Am liebsten zwei. Mit Panoramablick. Und aufstellbaren Türen. Merkste selbst.
Nun mache ich weiter mit Streckenplanung. Von Osh nach Dushanbe bin ich laut Karte schon. Nun nur noch Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, (Die Mongolei habe ich schon gestern) , Kasachstan, Usbekistan, Georgien, Türkei …. Okay, es ist noch ein bisschen was. :D
Aber ich fange mit dem Schwierigsten und weitest entferntesten an, das motiviert irgendwie. Schließlich ist das mein Ziel...und der Weg dahin.
Licht in der Dunkelheit
07.10.2019
Die Zeltsuche ist nach wie vor nicht beendet, doch ein Telefonat mit Globetrotter hat mir heute geholfen, mich nicht weiter an der niedrigen Wassersäule der Zelte von z.B. Wechsel, Exped oder Hellsport Reinsfjell zu stören, die ansonsten mit wenig Gewicht und guter Raumaufteilung meine Favoriten sind. Zudem erleichtert es zu wissen, dass Undichtigkeit unter Garantie fällt und somit gesetzt den Falles, dass es permanent durchregnet zu reklamieren ist. Klar, unterwegs in der Mongolei reklamiere gar nix, sondern fluche nur, aber wenn ich das Zelt jetzt kaufe habe ist ja noch Zeit zum testen.
Lachen, Weinen, Zweifeln, Mut fassen, Spannung, Entspannung, Schwere, Erleichterung.
Nachdem ich nun auch das Buch 'Über GRENZEN' mit Begeisterung bis zu Ende gelesen und mit Margot alle möglichen Gemütszustände durchlebt habe, einige Abende mit Horrorszenarien im Kopf eingeschlafen bin, bestätigt es mich in meinem Vorhaben und erhöht meine Entschlossenheit.
'Die Menschen sind gut', ihr Schlusswort.
Und allein um das selbst zu erfahren müsste ich zwar nicht an das andere Ende der Welt fahren, ABER ich glaube je roher und fremder die Umstände, desto extremer, überwältigender und prägender ist auch das Erleben.
Ich mag die Direktheit und Einfachheit mit der das Buch erzählt, inhaltlich dennoch anspruchs- und gehaltvoll. Sehr authentisch, teilweise richtig lustig und auch ein bisschen spirituell, es macht einfach Mut und Hoffnung diese Welt besser kennenzulernen.
Im Film zu sehen wie sie den Pamir Highway im Schneematsch fährt, mehrmals fällt und nur mit Mühe und Not die vollgepackte 125er aufhebt, was trotz Hilfe des Filmteams höchste Anstrengung ist, sich das Bein verletzt und friert, hat mich drei Nächte danach beschäftigt. Was ist wenn mir das passiert, aber ohne Filmteam als Hilfe? Bekomme ich die weitaus schwerere Africa Twin gehoben? Was wenn auch ich mich verletze und nicht mehr weiter fahren kann?
Als Margot in dieser Situation ist, passiert einer der Zufälle, von dem viele Reisenden erzählen: Just in dem Moment, wo sie verletzt am Straßenrand sitzt, den Stiefel ausgezogen hat und sich gequält den angeschwollenen Fuß hält, kommt ein Polizist mit seinem Vater auf zwei schweren Reiseenduros vorbei gefahren. Er leistet gekonnt und ruhig Erste Hilfe, gibt ihr sogar noch eine Trombosespritze mit auf den Weg. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwo auf dem Pamir Highway genau zum Zeitpunkt eines Sturzes überhaupt ein Mensch vorbei kommt und dann auch noch ein so versierter Ersthelfer?!
Für mich eine Bestätigung: Es geht immer irgendwie weiter. Egal was, wo passiert. Auch für mich. Es hilft, all diese Horrorszenarien gedanklich durchzuspielen, sich jetzt schon vorzustellen wie es ist und einen nächsten Handlungsschritt zu überlegen. (Starke Schmerzmittel sind auf meiner Packliste vorgesehen und werden mich bei Verletzungen zumindest dazu befähigen bis zum nächsten Dorf zu fahren).
Im Geiste war die Verbundenheit zu Margot Flügel-Anhalt bereits im Voraus da. Soziales und Schauspiel von Berufswegen, Kampfsport und Fitnessstudio als Hobby.
Die Liebe zur Intensität des allein unterwegs- und unabhängig seins, die Zurückgezogenheit im Alltagsleben, das 'sich spüren und zu sich finden wollen', der Wunsch die Welt in all ihrer Vielfalt zu sehen. All das verstärkt dieses Band weiterhin.
''Die Welt gehört nicht den Kriegstreibern allein.'' Und das fängt mit den eigenen zerstörerischen Gedanken an, die ab und zu den inneren Krieg entfachen.
Es ist übrigens erstaunlich, wie viel Konzentration und Beharrlichkeit der Körper aufbringen kann, wenn der Geist die Tätigkeit als überaus sinnvoll und freudvoll erachtet.
So sitze ich von morgens bis nachts vor dem Laptop, vergleiche Zelte, informiere mich über die Länder, plane die Route, lese Reiseberichte ohne dass ich die Lust daran verliere.
Zwischendurch Essen, Bewegung und frische Luft, um nicht völlig zu verkopfen.
So schlief ich gestern Nacht um 2:30 Uhr mit Kinga von On Her Bike in der Mongolei ein und kaum hatte ich heute Morgen die Augen aufgeschlagen, wurde das nächste Reisebuch bestellt.
Diesmal von Lea Riek: Sag dem Abenteuer ich komme. Jawoll! Meine Leselust ist geweckt...nach 30 Jahren war das wohl auch höchste Zeit. Begrenzt zu sterben wäre zu schade um die ganze Fülle an Wissen und schönen Ansichten.
Ich bin sehr dankbar, dass Menschen wie Margot, Lea, Frank Panthöfer, Erik Peters, Joe Pichler, Daniel Rintz und viele andere Fernreisende ihre Eindrücke und Erfahrungen für die Öffentlichkeit sichtbar festgehalten haben. Sie ebnen damit anderen den Weg für ähnliches, zeigen dass es geht und helfen ungemein, mit den eigenen Bedenken umzugehen. Es wird klar: Sie alle haben ähnliche Ängste, auch wenn der Wunsch das Ziel zu erreichen groß ist. Und es ist hart, schmerzhaft und oft unerwartet schwer. Doch am Ende sind genau das die Momente, wo die Großherzigkeit und Hilfsbereitschaft anderer Menschen sichtbar werden. Wo die Reisenden die Gutherzigkeit der Welt und grenzenlose Dankbarkeit spüren.
Zum zweiten Teil der Reisevorbereitungen
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