Der erste Tag auf dem Trainingsgelände des MC Pfungstadt beginnt mit Spannung:
Was machen wir als erstes?
Kann ich das?
Wie wird es sich auf MEINEM Motorrad anfühlen, im Vergleich zu der neuen Africa Twin, die ich bei meinem ersten OffroadTraining gefahren bin?
Tag 1
VVV: Vorbesprechen - Vorstellen - Vorbereiten
Vorbesprechung mit Vorstellung der Trainer (Darunter Vanessa Danz, professionelle Motorcross- und Endurofahrerin) und erste Vorbereitungen an Motorrad und Fahrern (Abschrauben der Spiegel und passendes Einstellen der Lenkerhöhe inklusive Ausbalancieren der Sitzhaltung im Stand).
und dann geht's ran an den speck!
Erstmal Einfahren.
Ein paar Runden im Stehen auf recht festem Sand und Schotter und ich merke – es geht!
Und es macht Spaß! Es ist vom letzten Training, vor zwei Wochen bei Heikes Escapes, noch so einiges hängen geblieben, was ich auch direkt anwenden kann.
Bei Wendungen im Stand das äußere Knie am Tank nach vorne schieben, weit mit dem Blick in die Kurve, immer zwei Finger am Kupplungsgriff und am besten so stehen, dass der Lenker nicht belastet ist oder daran gezogen wird.
So fahren wir Slalom und Bremsen im Matsch, der durch einsetzenden Regen an Schlammfaktor zunimmt.
Nachdem das bei mir dank vorangegangenem Offroadtraining bereits ganz gut läuft, bekomme ich von Trainer Ole den Impuls, doch mal im Stand anzufahren.
Sprich: Ein Fuß auf die Raste, und dann mit dem Anderen direkt beim Losfahren so abstoßen, dass der Hintern mit dem anfahren direkt die Sitzbank verlässt.
Das übe ich ein paar Mal, bis der Drang nach mehr so groß wird, dass ich nach der Mittagspause in Gruppe zwei wechsle um in matschigeren Gefilden zu fischen.
Also rüber in die Spielelandschaft mit dem Motto des Fahrtrainings:
Alles kann, nichts muss.
Table? Time for a dinner?
Ich würde Berg oder Mount Everest dazu sagen, Fachleute nennen es Table. Ausdruck für einen Hügel in gewisser Höhe und Breite. Da will ich nun also drüber. Mit Queeni.
Wichtig: Das Motorrad mit den Knien am Tank stabilisieren, gleichmäßig Gas geben ( nicht zu viel und nicht zu wenig) und den Blick wie immer weit in Fahrtrichtung.
Erst im Sitzen, dann im Stand...und es fühlt sich ein bisschen an wie Achterbahn fahren: Im ersten Moment mulmig, im Nachhinein GEIL!
Oben angekommen gibt es einen kurzen Moment des: Uh Ah ich falle! Der aber vergeht bevor es soweit kommen kann. Glück gehabt.
Krankenwagen Nr. 1 wird an diesem Tag in der fortgeschrittenen Gruppe gerufen, nachdem Jemand gestürzt ist. Das sollte leider nicht die letzte Fahrt ins Krankenhaus an diesem Wochenende sein.
'' Können wir auch mal über diese Wippe fahren?''
Einmal gepackt, lässt sie mich so schnell nicht wieder los, die Freude am Testen neuer Möglichkeiten. Jetzt will ich's wissen, denn nachdem ich diesen Table bezwungen habe, was mir vorher eher unwirklich erschien, ist der Abenteuerspielplatz für mich eröffnet.
Und tatsächlich, auch über die Brücke schaffen Queeni und ich es problemlos.
Unglaublich.
Beim Aufkommen auf dem Boden rummst es zwar ganz schön, denn die über 300 kg, die Motorrad und ich zusammen wiegen, fliegen halt nicht ganz so engelsgleich durch die Gegend, wie Crossmaschinen samt Fahrer (Falls am letzten Aprilwochenende 2019 also ein Erdbeben durch Deutschland ging – keine Sorge, das waren nur Queeni und ich bei der Landung!) Aber zum Glück sind Federwege dafür da, um genutzt zu werden.
Beim dritten Mal kommt sogar ein beschwingendes Hochgefühl hinzu.
Und beim vierten Mal ein ' oh, jetzt baue ich nen Crash'.
Das ist der Punkt, an dem ich das Training für heute beende, denn man soll aufhören wenn es am schönsten ist, ich habe an diesem Tag bereits dreimal mehr gemacht als anfangs erhofft und da ich weiß, dass mit abnehmender Konzentration die Unfälle zunehmen, fordere ich das Risiko nicht weiter heraus und belasse es bei diesem erfolgreichen Tag mit 100% Spaßfaktor.
Der Hagel und das aufziehende Gewitter erleichtern meine Entscheidung ungemein.
Hoffentlich spielt das Wetter morgen mehr mit, wobei es spielt sich auch bei Regen und Matsch ganz wunderbar im Sand mit den Heidenau K60 Scout.
'Sorry dass ich dich angespritzt habe' ist an diesem Tag jedenfalls des öfteren zu hören.
Tag 2
Müdigkeit und zweifel
Schon beim Betreten des Geländes am Morgen habe ich nicht das Gefühl, den Mut und das Können von gestern noch zu besitzen. Table, Wippe, und das alles bei Regen... Heute bestimmt nicht. Selbst das Fahren im Sand ist mir zu diesem Zeitpunkt noch unvorstellbar. Müde und steif fühlt sich der Körper an – und das wohlgemerkt ohne am Vortag gestürzt zu sein.
Da verstehe ich auch, warum Trainer Ole ein Dehnworkout macht, bevor er auf seine Crossmaschine steigt. Ich dachte erst, er müsse sich übergeben, als er so alle viere auf dem Boden das Gras anschaut, aber zum Glück alles reiner Sport.
Kaum auf dem Motorrad gesessen und ein paar Runden im Sand gefahren, ändert sich dieser zweifelnde Zustand schnell und als es dann von Trainer Jan heißt: ,,Wer möchte, darf jetzt mal durch Sandberge fahren!'', bin ich plötzlich hellwach und ich will nur noch ab in die Düne.
Durch extreme Sandberge fahren
Zunächst fährt Jan das Ganze einmal vor, damit Weg und Verhalten auf der Strecke deutlich werden.
''So, wer möchte als erstes? ''
Stille.
''Okay , ich mach's!“.
Schließlich bin ich neugierig, was Queeni im Sand so alles kann.
Als Königin der Wüste müsste da ja einiges machbar sein.
Der erste Anlauf und es ist machbar. Zwar noch sehr abgehackt und Stück für Stück, mit Instruktionen und Hilfe vom Trainer, aber es ist ein wahrer Spaß mit Queeni in diesen Sandmassen herumzuspielen – gleich nochmal!
Die Worte des Trainers von der ersten Runde noch im Ohr und hoch motiviert, läuft das zweite Mal direkt viel flüssiger aber nicht weniger anstrengend.
Das ausbalancieren der Maschine und die gebündelte Konzentration um die Anweisungen umzusetzen, ist schweißtreibender als so manche Gymnastikstunde.
Einen Berg rückwärts runter rollen und an ihm wenden üben wir im Anschluss, was jedoch erst mal von einem unschönen Ereignis unterbrochen wird.
Ein Fahrer liegt am Rand der Strecke und schreit vor Schmerz.
Sein Unteres Bein wurde zwischen Maschine und Streckenrand so eingequetscht, dass das Schienbein gebrochen ist.
Es müssen höllische Schmerzen sein.
Einem verletzten das Handy ans Ohr halten, damit er mit seiner Frau telefonieren kann, das hatte ich bis dato auch noch nicht gemacht. Ich bin froh, ihm irgendwie helfen zu können, während wir auf den Krankenwagen warten. Als endlich das erlösende Schmerzmittel gegeben werden kann, die Hose aufgeschnitten und der Stiefel entfernt wird, ist der Bruch obwohl er nicht offen ist sichtbar.
Nach diesem Erlebnis ist mir erst mal anders. Übermut und Waghalsigkeit adé.
Der Verletzte hatte feste Stiefel an, fuhr bereits viele Jahre Motorrad und hatte sich bis dato noch nie etwas gebrochen.
Und dann, eine falsche Bewegung in einer unglücklichen Situation – Zwangspause, Schmerzen und zwei Ops.
Ein weiterer Krankenwagen muss gerufen werden, als ein Teilnehmer beim Springen über einen Berg ungünstig irgendwo neben der Maschine aufkommt und mit Gehirnerschütterung, Prellungen der Wirbelsäule, Rippen und anderer Körperteile kreislauftechnisch zusammen bricht.
So viele verletzte an einem Wochenende, das ist die Ausnahme. Das habe es in 8 Jahren Endurotraining mit den Transalpfreunden nicht gegeben, sagt Trainer Loui mir im Anschluss und ist wahrscheinlich auf die erschwerenden Wetterverhältnisse zurückzuführen.
FAZIT
Am Ende bin ich doppelt so froh wie vorher, meine 'alte' Queeni zu haben. Sie ist zwar nicht so leistungsstark und leicht im Handling wie die neue Africa Twin, aber dafür verzeiht sie am Gasgriff so manche Bewegung und irgendwie sind wir ja doch ein eingespieltes Team. Ich habe mich jedenfalls die vollen zwei Tage pudelwohl auf ihr gefühlt.
Außerdem zeigte sich mal wieder: Man kann sich noch so fremd sein, Leidenschaft für eine gemeinsame Sache verbindet einfach ungemein. So habe ich mich unter ca. 60 zunächst fremden Menschen gut aufgehoben und nicht wirklich als Unbekannte gefühlt.
Schnell fanden sich Gespräche und neue Kontakte, die ich mit Sicherheit nicht zum letzten Mal gesehen habe. Die Transalp Freunde sind ein Haufen lustiger und engagierter Menschen, mit denen ich ein wirklich schönes und lehrreiches Wochenende verbracht habe. Besonders schön finde ich, dass sie bei ihren Trainings nicht auf Transalps festgelegt sind, sondern auch andere Motorräder begrüßen.
Was ich außer dem neu erworbenen Wissen, Erfahrungen und Bekanntschaften sowie einer schönen Zeit im Gepäck mitnehme?
SAND! Queeni trägt seit dem den Dalmatinerlook, erhältlich auf dem Trainingsgelände in Pfungsstadt bei Regen und danach. Tot schick - Tarnfarbe und used look sind ja im Moment eh angesagt.
Nach dieser Zeit kann ich eine Pause zum Verarbeiten gut gebrauchen um alles sacken zu lassen. Bis zur nächsten Offroad fahrgelegenheit in 3 Wochen im Stöffelpark ist es ja gar nicht mehr weit und die Vorfreude auf alle bevorstehenden Trainings wächst mit jedem erlebten.
Ich möchte mich hiermit nochmal ganz herzlich bedanken bei
Willi, Arnd und Patrick vom Transalp Verein für die Organisation,
den Trainern des MC Pfungstadt für ihre großartige Arbeit,
Touratech für ihre Unterstützung durch Kleidung, in der ich mich sicher fühle,
allen Teilnehmern, dafür dass sie offen und hilfsbereit waren (Es ist nicht selbstverständlich, bei solchen Events filmen zu dürfen),
Ernie Trölf und Frankie für ihre fotografische Unterstützung,
und der Jugendherberge Heppenheim für die Gastfreundschaft und dass ich mein Zelt bei euch trocknen durfte.
Und wer auch immer für meine Gesundheit, den Spaß und das neu gelernte an diesem Wochenende verantwortlich ist,
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Arnd Burgmann (Samstag, 04 Mai 2019 16:44)
Ein schöner Bericht, danke Caro! :-)
Toll übrigens, was du mit Queeni in den zwei Tagen geleistet hast.
Es war beeindruckend, was insbesondere die "Einsteiger" alles geschafft haben.
LG und immer eine Handbreit Matsch unter den Reifen!
Arnd
;-)
Caro Unterwegs (Samstag, 04 Mai 2019 17:52)
Hey Arnd,
freut mich sehr das zu lesen, danke. Hat mir auch richtig Spaß gemacht mit Euch! Und es war beeindruckend zu sehen, wie locker flockig das bei Euch Fortgeschrittenen alles aussieht.
Viele Grüße zurück ;)
Caro
Ole (Samstag, 04 Mai 2019 20:24)
Hey
ich schließ mich Arnd´s Lob an, lebendig und schön geschrieben.
Kann nur für mich sprechen, die ganze Kiste hat trotz der kleinen Wetterkapriolen am Samstag wie jedes Jahr ne Menge Spaß gemacht.
Und gerade "meine" Krabbelgruppe rockt doch jedes Jahr den ganzen Laden und zeigt mir warum ich das so gerne mache, Du diesmal ganz vorne mit bei ;-)
Halt Dich wacker und an Deinen Reiseplänen fest, toitoitoi Ole
Ps: Unserem Schwerverletzten Rasmus geht´s schon deutlich besser, Montag kommen die Nägel rein, dann gehts Ende nächster Woche heim und ab in Physio.
Dank gesicherter und üppiger Zufuhr von Kinderschokolade klappt´s auch mit dem Lachen schon wieder wie zuvor!
Danke an der Stelle auch an Dich für Deine einfühlsame Hilfe während der Erstversorgung.
Caro Unterwegs (Sonntag, 05 Mai 2019 16:12)
Hola Ole,
Danke!
Dass du Spaß an der Sache hast merkt man Dir definitiv an und damit steckst Du an. Verständnisvoll, ruhig und der Humor kommt auch nicht zu kurz - tolle Mischung.
Freu mich auf's nächste Wiedersehen in Pfungstadt!
Und dass Rasmus jetzt einen Zuckerschock hat, mildert seine Schmerzen sicherlich. Ihr und auch der Transalp Verein habt euch so toll um die Verletzten gekümmert - nächstes Mal brech ich mir auch was ;)
beste Grüße,
Caro
Jan (Mittwoch, 08 Mai 2019 20:33)
Hallo Caro. Toller Bericht und ein noch viel besseres Video. Bin beeindruckt.
Wünsche dir für deine Tour alles Gute.
Ich hoffe unser Training hilft dir an der ein oder anderen Stelle weiter.
Ganz großer Respekt das du das so toll gemeistert hast und „blindes“ Vertrauen in uns Trainer hattest. Denke es hat sich gelohnt:-)
Klaus (Donnerstag, 03 Oktober 2019 10:44)
Ja beim Willi und den Transalpfreunden waren wir auch schon mehrfach zum Endurotraining, allerdings hat man dann die die "kleinen" Enduros dort nicht mehr zugelassen, so daß wir dort nicht mehr mitfahren durften. Das waren tolle Erlebnisse in Pfungstadt!!
Klaus von den Saarbikern, www.saarbikers.net