Start in eine neue Ära
Erkältet und einen Tag vor meinem 30ten Geburtstag spürte ich, dass frische Meeresluft jetzt genau das Richtige für mich ist. Also suchte ich auf Google Maps den nächst gelegenen Campingplatz in Holland am Wasser und fuhr los. Mit Kopfschmerzen und Erkältung ist eine längere Motorradfahrt ja nicht gerade förderlich weil anstrengend, würde man meinen und ich war schwer am überlegen, ob ich der Sehnsucht meines Herzens wirklich folgen sollte. Doch schon auf der Fahrt war meine Nase frei und der Kopfschmerz verflog, nur körperlich schwächelte ich noch. Den Kopf vom Fahrtwind frei pusten zu lassen, war die beste Medizin, wie sich auch im Nachhinein herausstellte.
Nach ca. 4 Stunden erreichte ich den besagten Campingplatz in Almere (NL) und war schon bei der Ankunft etwas enttäuscht; kein Meer, sondern nur ein Meeresarm der wie ein See aussah und von Weite nichts an sich hatte, denn worauf man schaute waren Hochhäuser, Kräne und eine Pfütze. Ich dachte, irgendwas schönes würde ich dem Platz schon abgewinnen können, baute mein Zelt auf und machte mich auf Erkundungstour. Zu meiner Trauer musste ich feststellen, dass ringsherum nur Baustellen, Autolärm und zu allem Übel auch noch direkt neben meinem Zelt eine Familie war, die ein permanent schreiendes Kind dabei hatte. So unglücklich und genervt von diesem Ort und meiner Blödheit, nicht mal einen Platz am Meer zu finden, konnte ich doch nicht in das nächste Jahrzehnt starten.
Ich wollte doch ans Meer, Weite, Seeluft...
und kein Kindergeschrei, Autolärm und genervt sein.
Also Zelt wieder eingepackt, ausgecheckt und weiter Richtung Zandvoort.
Nach einer Stunde durchfuhr ich die ersten Dünen und einige Freudentränen unter meinem Helm und Gänsehaut unter der Motorradkombi sagten mir: DAS WAR EINE GUTE ENTSCHEIDUNG, denn HIER wollte ich hin.
Der Campingplatz 'de Lakens', der glücklicherweise so 'spät' (es war mittlerweile 19 Uhr) noch geöffnet hatte – zwei andere, die ich zuvor angerufen hatte, waren bereits geschlossen - lag nur fünf Gehminuten vom Meer entfernt, sodass ich noch nach Aufbau des Zeltes durch den Sand und über Dünen zum Wasser stapfen konnte und einige glückliche Fotos schoss.
Bei dem Blick auf das Meer ist jedes Bild ein Kunstwerk, ein Inbegriff von Weite, Freiheit und Wandel.
Mit Gitarrenmusik von einer Backpackerrunde und der Begegnung mit einem Fuchs schlief ich kopfschmerzbefreit und zufrieden in meinem kuscheligen Schlafsack in eine neue Ära.
Geweckt wurde ich von leichtem Regen, der schnell durch blauen Himmel vertrieben wurde, was mich direkt ans Meer trieb, wo ich den Tag mit viel Wind, Sand und einem guten Gefühl begrüßte.
Anschließend packte ich zufrieden mein Zelt, traf Familie und Freunde im Münsterland und fuhr am Abend tanzend auf meinem Motorrad in den Sonnenuntergang der Dunkelheit entgegen.
Bei dieser Tour wollte ich einfach nur Motorrad fahren und ans Meer. Möglichst unkompliziert und schnell.
Fahrerisch war dieser Trip leichte Kost und hatte keine herausragend schönen oder anspruchsvollen Strecken dabei, wenn man von den großflächigen Grünen Wiesen mit Pferden und Schafen entlang der Straßen von Zandvoort Richtung Münsterland absieht. Dafür war der Campingplatz in unmittelbarer Meeresnähe ein großes Geschenk.
8 Stunden und 500 km auf meiner Queeni waren wohl das, war diesen Tag mit viel Zufriedenheit füllte.
Auch wenn es über Umwege und mit Komplikationen verbunden sein kann,
dem Ruf des Herzens zu folgen lohnt sich.
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